
Was sind Privilegien und warum ist es wichtig, sie zu reflektieren?
Was sind Privilegien?
Unter Privilegien verstehen wir Rechte bzw. Sonderrechte und Vorteile, die bestimmten Personen oder Personengruppen vorbehalten sind. Diese Privilegien entstehen aufgrund der politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Stellung in der Gesellschaft, in der diese Personen leben. Andere Personen oder Gruppen haben diese Vorteile nicht und begegnen dadurch spezifischen Hindernissen oder Formen von Diskriminierung.
Warum ist es wichtig, Privilegien zu reflektieren?
Die meisten von uns besitzen an der einen oder anderen Stelle Privilegien. Diese zu haben, bedeutet nicht automatisch, dass unser Leben deshalb total einfach ist. Es heißt jedoch, dass wir bestimmten Hindernissen oder Diskriminierungsformen, die andere erleben, nicht begegnen. Ein Beispiel dafür ist, dass weiße Personen keinen Rassismus erfahren oder wohlhabende Familien durch Erbschaften vor Armut geschützt sind.
Privilegien zu benennen ist entscheidend, um Machtverhältnisse sichtbar zu machen. Es geht darum, sich zu fragen: Wieso habe ich diese Rechte oder Vorteile und andere nicht? Wieso kann ich mich in bestimmten Räumen sicherer bewegen als andere? Könnte es auch anders sein?
Die Bedeutung der Reflektion eigener Privilegien
Es ist wichtig, sich regelmäßig mit der eigenen Position und den eigenen Privilegien auseinanderzusetzen. Dies hilft uns, ein tieferes Verständnis für die Erfahrungen anderer zu entwickeln und empathischer zu handeln. Die Reflektion über Privilegien ist nicht nur ein Akt des Bewusstwerdens, sondern auch ein Schritt hin zu solidarischem Handeln. Denn das Bewusstsein und die Reflektion über eigene Privilegien ist sowohl ein Akt der Selbstreflexion, als auch ein essenzieller Schritt hin zu einer gerechteren und inklusiveren Gesellschaft. Indem wir unsere Privilegien anerkennen und aktiv hinterfragen, können wir beginnen, die bestehenden Machtstrukturen zu verstehen und zu verändern. Es erfordert Mut und Empathie, sich den eigenen Vorteilen bewusst zu werden und sie nicht als selbstverständlich anzusehen. Nur so können wir lernen, unsere Privilegien gezielt einzusetzen, um Barrieren abzubauen und Solidarität zu zeigen.
Privilegien nutzen, um Ungerechtigkeiten zu bekämpfen
Ein bewusster Umgang mit eigenen Privilegien kann dazu beitragen, gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen. Es bedeutet, diese Privilegien zu nutzen, um marginalisierten Gruppen eine Stimme zu geben und aktiv für eine gerechtere Gesellschaft einzutreten. Das Konzept Allyship, also die Verbündetenschaft, ist eng mit dieser Reflektion und dem solidarischen Umgang mit den eigenen Privilegien verknüpft.
Du hast ein Privileg, wenn du cis bist. Cis zu sein bedeutet, nicht trans* zu sein. Das heißt, du identifizierst dich mit dem Geschlecht, das dir bei der Geburt gegeben wurde. Als cis Person bist du nicht von trans*-Feindlichkeit betroffen, deine Geschlechtsidentität wird nicht infrage gestellt und du musst dich nicht outen.
Du hast ein Privileg, wenn du einen deutschen Pass besitzt. Das gilt vor allem dann, wenn du ihn schon seit der Geburt hast. Mit einem deutschen Pass hast du es in Deutschland leichter auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, bei der Beantragung von Sozialleistungen und du darfst wählen. Außerdem darfst du problemlos in sehr viele andere Länder reisen (z.B. die ganze EU).
Du hast ein Privileg, wenn du erwachsen bist. Erwachsene haben mehr Rechte als Kinder. Sie werden ernster genommen und besitzen sehr viel mehr (Entscheidungs-) Macht.
Du kannst in Deutschland ein Privileg haben, wenn du christlich bist oder keine Religion hast. So erfährst du weder anti-muslimischen Rassismus noch Antisemitismus. An Schulen gibt es häufig nur christlichen Religionsunterricht und wir haben an den christlichen Feiertagen frei.
Du hast ein Privileg, wenn du ein Mensch bist. Alle anderen Tiere in unserer Gesellschaft haben deutlich weniger Rechte. In Deutschland gelten Tiere meist immer noch als Gegenstand. Es ist in vielen Kontexten erlaubt, sie zu töten. Sie werden eingesperrt in Mastanlagen, Zoos, Käfigen etc. und können sehr häufig nicht über ihr eigenes Leben bestimmen.
Du hast ein Privileg, wenn du ein Mann bist. Wir leben in einer patriarchalen Gesellschaft, die strukturell auf Männer ausgerichtet ist. Als Mann wirst du in vielen Lebensbereichen bevorzugt und als die Norm verstanden. Zudem bist du als cis Mann nicht von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen.
Du hast ein Privileg, wenn du weiß bist. Weiße Menschen erleben keine (individuelle und strukturelle) rassistische Diskriminierung und Gewalt. Sie profitieren von gesellschaftlichen Vorteilen wie einem besseren Zugang zu Bildung, weniger Vorurteilen und einer stärkeren Repräsentation in Medien und Politik.
Weiß zu sein, verstehen wir als soziale Konstruktion und nicht als biologische Eigenschaft oder Beschreibung der Hautfarbe.
Du hast ein Privileg, wenn du heterosexuell bist. Heterosexuelle Personen werden nicht aufgrund ihrer Sexualität diskriminiert und/oder erleben Gewalt. Die deutsche Gesellschaft und ihre Strukturen sind heteronormativ aufgebaut und bevorzugen Personen, die in dieses binäre Wertesystem “passen”.
Du hast ein Privileg, wenn du keine körperliche Be_hinderung hast. Von fehlenden Zugängen für Menschen mit Rollstuhl, über fehlende Angebote für beispielsweise gehörlose Menschen, bis zu offener Feindlichkeit und Beleidigungen gegenüber Menschen mit Be_hinderung: Menschen mit körperlicher Be_hinderung werden in unserer Gesellschaft nach wie vor diskriminiert.
Du hast ein Privileg, wenn du sozial gut vernetzt bist. Du kannst beispielsweise bei der Jobsuche auf gute Beziehungen zurückgreifen, erhältst häufiger begehrte Positionen und mehr Unterstützung, etwa bei der Wohnungssuche. Auch in Rechtsstreits und finanziellen Fragen ist es ein Vorteil, große Netzwerke zu haben.
Du hast ein Privileg, wenn du aus einem Akademiker:innenhaushalt kommst, also deine Eltern einen akademischen Abschluss haben. Du profitierst von einem Umfeld, das Bildung als selbstverständlich versteht, dir früh kulturelles Kapital vermittelt und dir oft bei schulischen oder beruflichen Fragen gezielt helfen kann.
Du hast ein Privileg, wenn du schlank bist. Schlanke Menschen werden gesellschaftlich als „gesund“ und „diszipliniert“ wahrgenommen und erfahren seltener Diskriminierung. Dicke Menschen hingegen werden häufig stigmatisiert, pathologisiert oder nicht ernst genommen – im Alltag, in der Medizin und auf dem Arbeitsmarkt.
Du hast ein Privileg, wenn du studiert hast. Akademische Bildung verschafft dir gesellschaftliches Ansehen, besseren Zugang zu gut bezahlten Berufen und erhöht die Wahrscheinlichkeit, in Entscheidungsgremien oder machtvollen Positionen vertreten zu sein.
Du hast ein Privileg, wenn du westdeutsch bist. Die deutsche Einheit war kein gleichberechtigter Zusammenschluss. Menschen aus Ostdeutschland erfahren bis heute strukturelle Benachteiligung und gesellschaftliche Abwertung. Westdeutsche Perspektiven dominieren in Medien, Politik und Wirtschaft.
Du hast ein Privileg, wenn du als normschön giltst. Du wirst eher positiv wahrgenommen, bekommst mehr soziale Anerkennung und profitierst von Vorteilen im Beruf, in Beziehungen und im Alltag. Menschen, die nicht den gängigen Schönheitsidealen entsprechen, erleben dagegen häufig Diskriminierung.
Du hast ein Privileg, wenn du Hochdeutsch oder einen als „gebildet“ geltenden Standard-Dialekt sprichst. Deine Sprache wird nicht als „falsch“ oder „dumm“ abgewertet. Menschen mit starkem Akzent oder Dialekt werden hingegen oft sozial herabgewürdigt oder nicht ernst genommen – besonders in Bildung und Beruf.
Du hast ein Privileg, wenn du psychisch gesund bist. Menschen mit psychischen Erkrankungen werden häufig stigmatisiert, nicht ernst genommen oder pathologisiert. In der Arbeitswelt, im Gesundheitswesen und im Alltag erfahren sie Benachteiligung und strukturelle Ausgrenzung.
Du hast ein Privileg, wenn du das Abitur hast. Es öffnet dir den Zugang zur Universität und zu höher bewerteten Ausbildungswegen. Menschen ohne Abitur stoßen dagegen häufig auf Barrieren – sowohl im Bildungssystem als auch auf dem Arbeitsmarkt.
Du hast ein Privileg, wenn du finanziell abgesichert bist. Du kannst unvorhergesehene Kosten abfedern, hast mehr Entscheidungsfreiheit und musst weniger Angst vor sozialem Abstieg haben. Armut schränkt Menschen massiv ein – gesundheitlich, beruflich und sozial.
Du hast ein Privileg, wenn du nicht alleinerziehend bist. Alleinerziehende leisten oft mehr, bekommen jedoch weniger gesellschaftliche und staatliche Unterstützung. Sie sind häufiger armutsgefährdet und müssen Belastungen meist ohne Partner:in schultern.
Du hast ein Privileg, wenn du verheiratet bist. Verheiratete Menschen werden steuerlich bevorzugt, gesellschaftlich als „stabil“ angesehen und in vielen Lebensbereichen (z. B. bei Behörden oder im Krankenhaus) priorisiert behandelt. Unverheiratete oder nicht-monogame Lebensformen werden oft benachteiligt oder unsichtbar gemacht.
Du hast ein Privileg, wenn du krankenversichert bist. Du hast Zugang zu medizinischer Versorgung, Medikamenten und ärztlicher Betreuung. Menschen ohne Versicherung haben in Deutschland oft nur eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsleistungen und werden von wichtigen Versorgungsstrukturen ausgeschlossen.
Du hast ein Privileg, wenn Deutsch deine Erstsprache ist. Du wirst in Schule, Ausbildung, Medien und Behörden als sprachlich kompetent wahrgenommen. Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, erleben häufig sprachliche Diskriminierung und strukturelle Benachteiligung.