
Warum brauchen wir eigentlich Allyship?
Warum soll ich für ein Thema auf die Straße gehen, das mich nicht unmittelbar betrifft? Warum soll ich Position beziehen, wenn mein Kollege einen transfeindlichen Witz macht? Warum soll ich mich mit Menschen solidarisieren, mit denen ich vielleicht kaum Überschneidungen habe, was Diskriminierungserfahrungen angeht? Warum reicht es nicht, wenn jede Person für sich selbst und ihre Position innerhalb der Gesellschaft kämpft?
Laut Grundgesetz sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. In der Realität sieht das jedoch oft anders aus. Bestimmte Personengruppen werden regelmäßig ungerecht behandelt. Sie werden auf individueller, institutioneller oder struktureller Ebene diskriminiert. Dies liegt daran, dass sie als “anders” markiert werden – als abweichend von der angeblichen gesellschaftlichen Norm. Gleichzeitig trifft diese “Norm” vergleichsweise nur auf sehr wenige Personen zu, wenn man bedenkt, dass mindestens die Hälfte der Menschen weltweit schon allein aufgrund ihres Geschlechts Diskriminierung erfährt.
Für eine diskriminierungsfreie(re) Gesellschaft und für Räume, in denen sich alle so wohl wie möglich fühlen, sich frei bewegen und leben können, braucht es viel Zeit, Mühe, Anstrengung, Ressourcen. Diese Kämpfe werden meist von denen geführt, die selbst von Diskriminierungen betroffen sind. Beispielsweise haben vorrangig Frauen im 19. Jahrhundert für das Frauenwahlrecht gekämpft, welches in Deutschland erst 1918 in Kraft trat. Es haben sich vorrangig trans Personen für ein Selbstbestimmungsgesetz eingesetzt. Diese Prozesse waren langwierig, ermüdend und anstrengend. Ressourcen, die in diese Kämpfe fließen, fehlen dann oft an anderen Stellen, zum Beispiel im Studium, im Job, in Beziehungen, Freund*innenschaften, Hobbys.
Aber als Feminist*innen dürfen wir die Kämpfe für eine gerechtere und feministische Gesellschaft nicht nur von Betroffenen austragen lassen. Wenn wir uns solidarisieren und unsere Privilegien nutzen, andere zu unterstützen, können wir die zeitlichen, emotionalen und auch materiellen Ressourcen auf Viele aufteilen. So kommen wir schneller voran und erzielen bessere Erfolge. Wir verstärken unsere Stimmen gegenseitig und machen unsere Kämpfe sichtbar. Wir werden Allys.
Intersektionaler Feminismus braucht Allyship, er braucht Menschen, die sich einfühlen und fortbilden, um verschiedene Lebensrealitäten und Diskriminierungsformen besser zu verstehen. Er braucht Personen, die sich mit eigenen Privilegien auseinandersetzen und sich so befähigen, echte feministische Solidarität zu leben und umzusetzen. So können wir dem Ziel des Feminismus näher kommen: Gleichberechtigung für alle Menschen herstellen, die Theorie des Grundgesetzes in der Praxis zu verwirklichen und ein diskriminierungsfreies Leben für Alle zu ermöglichen.
Allyship ist also die Lösung?
Wir denken, dass das Konzept von Allyship ein wichtiges feministisches Werkzeug ist. Aber wir möchten auch sagen: Allyship allein wird strukturelle Diskriminierung und das patriarchale System nicht auflösen. Allyship zeigt eher auf, wie wir insbesondere als Einzelpersonen Solidarität zeigen können, wie wir von Diskriminierung Betroffene unterstützen und dem, was gesellschaftlich oft als “normal” gilt, etwas entgegensetzen können.
Allyship ist ein Grundsatz des respektvollen und solidarischen Umgangs mit unseren Mitmenschen. Für eine feministischere Gesellschaft ist es wichtig, dass wir mehr Allianzen bilden, dass wir uns zusammenschließen, uns informieren, uns positionieren und laut werden. Es ist wichtig, dass wir nicht resignieren, sondern handeln und zeigen, dass Betroffene nicht alleine sind.
Los geht’s!
Du bist jetzt motiviert, dich Diskriminierung aktiv entgegen zu stellen? Dann erfahre hier LINK), wie du ein*e gute*r Ally sein kannst. Oder informiere dich zu bestimmten Diskriminierungsformen (Link Literaturliste). Wenn du direkt ins Handeln gehen möchtest, recherchiere, welche Vereine und Bündnisse es in deinem Kiez oder in deiner Stadt gibt und schließ dich ihnen an! Oder schreib uns – wir freuen uns immer über neue Engagierte 🙂